In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind die Regelungen zum Erbrecht bekanntermaßen sehr unterschiedlich. Die Folgen für Erben können gravierend und aufwendig sein: Hat beispielsweise ein Verstorbener, der deutscher Staatsangehöriger ist, Grundbesitz oder anderes Vermögen im Ausland, so ist häufig unklar, welches Recht Anwendung findet. Darüber können Nachlassverfahren in mehreren europäischen Ländern erforderlich sein, was Zeit und Geld kostet.
Diese Probleme sind auf europäischer Ebene seit langem bekannt. Erste Versuche, dies zu ändern, begannen vor einigen Jahren. Nun ist ein erster Schlusspunkt gesetzt worden. Nach langen Verhandlungen haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemeinsam mit dem Europäischen Parlament über die Verordnung betreffend das „Europäische Erbrecht“ verständigt – das Europäische Parlament hat dem Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses zugestimmt. Zustimmen muss nun noch der Ministerrat, damit die Verordnung zur Jahresmitte in Kraft treten kann; mit der Zustimmung wird im Juni gerechnet.
Die Verordnung wird die Formalien hinsichtlich der Abwicklung von Erbschaften innerhalb der Europäischen Union deutlich vereinfachen. So soll eine Erbschaft nach den Regeln und von den Gerichten jenes Mitgliedstaates abgewickelt werden, in dem der Erblasser zuletzt seinen ordentlichen Wohnsitz und seinen Lebensmittelpunkt hatte. Davon abgesehen bleibt es dem Erblasser unbenommen, eine Festlegung in seinem Testament zu treffen, nach der auf seinen gesamten Nachlass das Erbrecht seines ursprünglichen Heimatlandes angewendet werden soll. Wenn diese Regelung rechtswirksam getroffen worden, sind die Gerichte dieses vom Erblasser bestimmten Landes für die Abwicklung des Nachlasses zuständig und deren Entscheidungen müssen überall in der Europäischen Union anerkannt werden.
Damit diese Anerkennung auch nach außen demonstriert werden kann, wird mit der Verordnung auch das „Europäische Nachlasszeugnis“ („Europäischer Erbschein“) eingeführt. Mit ihm kann der Nachweis der Erbfolge etwa bei Grundbuchämtern und bei Käufen und Verkäufen geführt werden. Das Europäische Nachlasszeugnis ähnelt in Inhalt und Wirkung dem deutschen Erbschein in §§ 2353 ff. BGB. Es gibt insbesondere Auskunft über das anwendbare Recht, Art und Weise der Berufung, Person des Erben, die Erbquoten und die dem Nachlassberechtigten zustehenden Vermögenswerte.
Der Weg zu einem einheitlichen europäischen Erbrecht ist damit jedoch noch nicht zu Ende. Denn die Verordnung strebt keine Vereinheitlichung der nationalen Erbrechtsvorschriften an, sondern regelt ausschließlich Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug. Ebenfalls nicht angetastet werden die nationalen Regelungen zur Erbschaftssteuer.
Nicht beteiligt an diesem neuen Gesetzvorhaben sind übrigens Irland und Großbritannien (welche Gebrauch gemacht haben vom „Opt-out-Recht“) sowie Dänemark (das sich zu einem „Opt-in“ entschließen müsste). Die Verordnung wird deshalb in diesen Ländern nicht zur Anwendung kommen.