Dieser Beitrag wurde zuerst in englischer Sprache für das „Founder Institute“ veröffentlicht.
Elon Musk twitterte kürzlich, dass „Menschen unterschätzt werden“, und dass der große Automatisierungsgrad nicht die Ergebnisse brachte, die er in Teslas Gigafactory erwartet hatte. Ist das nicht ein großartiges Beispiel dafür, was im Hinblick auf digitale Transformation und intelligente Fabriken nicht stimmt?
Alle reden von Industrie 4.0, der vierten industriellen Revolution, und davon, wie sie die industrielle Fertigung verändern wird. Jeder glaubt, es dreht sich alles um Robotik, Full-House-Automatisierung und das Fehlen von Menschen in den Fabriken. Nun, dieses Bild der Zukunft der Fertigung ist falsch!
Zurück zu den Grundlagen: Was genau ist Industrie 4.0?
McKinsey definiert Industrie 4.0 als „die nächste Phase der Digitalisierung des produzierenden Gewerbes“. In der Tat ist es das Label (von Deutschland) für die schrittweise Kombination von traditionellen Herstellungs- und Industriepraktiken mit der zunehmend technologischen Welt um uns herum. Im Mittelpunkt dieser Veränderungen stehen verschiedene disruptive Technologien wie beispielsweise Big Data, Internet der Dinge (IoT), Robotik und künstliche Intelligenz.
Inzwischen haben viele Industrieunternehmen diese Konzepte getestet und einige signifikante Änderungen und Verbesserungen erkannt. In Indien beispielsweise stieg die Geräteeffektivität Berichten zufolge um 18%, während ein Werk in Michigan die Ausfallzeiten um bis zu 20% verkürzte, indem IoT-Sensoren zur Verschleißüberwachung eingesetzt wurden. Ein weiteres Beispiel ist das IBM Maximo Asset Management, mit dem Anwender Probleme an angeschlossenen Geräten und Maschinen in der Anlage erkennen, kommunizieren und diagnostizieren können. IBM gibt an, dass die aus Workflow-Prozessen, Durchsatz und Erträgen gesammelten Daten die Fehlerraten um bis zu 48% reduzieren können.
Bei Industrie 4.0 geht es also nicht darum, die Fertigungsindustrie zu verändern – das ist schon passiert! Aber alles ist nicht so ideal, wie es auf den ersten Blick erscheint und inzwischen werden einige Probleme und Bedenken erkennbar …
Digitale Transformation
Nehmen wir an, wir haben verstanden, dass die vierte industrielle Revolution schon angekommen ist. Was ist dann das Problem, könnte man fragen? Wir scheinen tatsächlich vergessen zu haben, dass diese Entwicklung hier ist, um uns Menschen zu helfen ein besseres Leben zu führen, nicht um uns zu ersetzen und uns unglücklich zu machen!
Schauen wir uns einige Fakten an:
- Buzz-Wörter:“ Industrie 4.0″, „advanced manufacturing“, etc. sind einige derzeit sehr angesagte Schlagworte! Warum? Weil jeder über sie redet aber die meisten nicht wissen, was sie eigentlich bedeuten! Das Konzept von Industrie 4.0 und die dahinter stehenden Technologien zu verstehen ist der erste Schritt für die erfolgreiche Anwendung.
- Hohe Investitionen: In der Vergangenheit erforderte die Einführung von neuen Technologien eine Menge Geld. Heute ist das nicht mehr so problematisch. Technologie wird immer billiger und man kann viel gewinnen, ohne entsprechend viel zu investieren.
- Neueste, ausgefallene Roboter: Es werden die neuesten Roboter benötigt, um bestimmte strategische Ziele zu erreichen? Das bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass dies die teuerste oder modernste Ausrüstung Technologie erfordert.
- Die vernetzte Fabrik als Lösung: Ja, man muss in der Lage sein, Daten zu sammeln. Die eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin, diese zu analysieren und etwas aus ihnen zu machen. Es geht mehr darum, die richtigen Daten zu lesen als alles miteinander zu vernetzen.
- Keine Mitarbeiter mehr: Während einige Arbeitsplätze mit Sicherheit verschwinden werden, werden in der Folge andere geschaffen. Man muss die eigenen Mitarbeiter nicht sofort entlassen, da diese für neue Aufgaben, die für die Automatisierung erforderlich sind, umgeschult werden können. Außerdem: Wenn es keine Menschen mehr in einer Fabrik gibt, wer wird dann den Erfolg in der Fabrik feiern?
Das größte Problem von Industrie 4.0 ist, dass wir scheinbar eines vergessen haben: Es geht vor allem darum, Lösungen für Fertigungsprobleme zu finden, damit sich dies sowohl auf die Industrie als auch auf die lokale Wirtschaft positiv auswirkt. Cliff Justice, Partner bei KPMG, sagte: „[Industrie 4.0] ergänzt die Mitarbeiter, automatisiert sie nicht.“
Menschen – werden sie in Fabriken unterschätzt?
Der Punkt, der hier gemacht werden soll ist, dass Menschen Teil der laufenden industriellen Revolution sein sollten. Um erfolgreich zu sein, benötigen die Hersteller das Engagement und die Talente ihrer Mitarbeiter!
Es ist falsch zu denken, dass Industrie 4.0 „null Arbeitskräfte“ bedeutet, denn tatsächlich gibt es einen Mangel an Arbeitskräften. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass Personen nicht die gleichen Aufgaben erfüllen, die sie einmal zu erfüllen hatten.
Laut Manufacturing Global „werden bis 2024 schätzungsweise 186.000 neue Ingenieure benötigt, aber es gibt jährlich einen Mangel an 20.000 Absolventen entsprechender Ausbildungen.“ Genau genommen stehlen Roboter keine Jobs, sondern übernehmen diejenigen Aufgaben, die die Menschen nicht mehr machen wollen, während die vorhandenen Jobs sich auf Tätigkeiten mit mehr Mehrwert verlagern.
Mercedes hat sich nach Umstellung auf vollständige Automatisierung entschieden, die vorhandenen Roboter teilweise wieder durch Menschen zu ersetzen (vgl. https://www.linkedin.com/pulse/surprise-mercedes-replace-robots-humans-francisco-almada-lobo). Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie die digitale Transformation mehr Arbeitsplätze schafft als zerstört (vgl. auch https://www.manufacturingglobal.com/technology/digital-transformation-germany-creating-more-jobs-destroying). Interessant ist in diesem Zusammenhang noch die folgende Studie von KPMG über die Industrie 4.0, die zu dem Schluss kommt, dass es letztendlich um die Menschen geht: https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmg/xx/pdf/2017/05/industry-4.0-all-about-people.pdf
Es ist wichtig im Auge zu behalten, dass bislang alle industriellen Revolutionen zu Veränderungen der Art von Arbeitsplätzen geführt haben. Menschen haben jedoch immer einen Weg zu neuer Arbeit und neuen Tätigkeiten gefunden – vor der ersten industriellen Revolution waren 40% der Bevölkerung Landarbeiter, heute sind es nur noch 2%. Trotzdem WIRD man sich insgesamt nicht über fehlende Arbeit beschweren.
Was können wir in der Zukunft erwarten?
Industrie 4.0 ist eine Bewegung, die viele Konzepte zusammenbringt. Zu wissen, was darunter zu verstehen ist und die dahinter stehenden Technologien dahingehend verstehen und beurteilen zu können, welche Verbesserungen sie tatsächlich bewirken, das ist für Hersteller von Produkten die derzeit dringlichste, aber auch komplizierteste Aufgabe.
Abschließend ein Wort der Warnung: Man sollte nicht alles glauben, was über Industrie 4.0 und advanced manufacturing (ein weiteres Schlagwort) gesagt wird, sondern vielmehr Schritt für Schritt mit der Umsetzung von entsprechenden Projekten beginnen. Will man sein Unternehmen für Industrie 4.0 optimieren, sollte man nicht versuchen, die gesamte Organisation auf einmal zu ändern, sondern sich zuerst auf Projekte konzentrieren, die die Mitarbeiter involviert und motiviert.
Wie heißt es bei “Adopt or Die: AI Leaves Manufacturing No Choice” von John Hitchs:
„Die Morgendämmerung bricht gerade heran in dieser vierten industriellen Revolution. Brandneue Träume und Bestrebungen krönen den Horizont: Skylines der intelligenten Fabriken, der intelligenten Städte, der intelligenten Marskolonien. Es fühlt sich tatsächlich an wie die Zukunft von Altem. Wohin wir auch gehen – wir brauchen immer noch Straßen. Nur nicht mehr Fahrer.“
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Die Autorin, Amira Boutouchent, ist Informatikerin und Mitgründerin des kanadischen Unternehmens „BRIDGR„. Sie wurde 2018 als eine der „30 unter 30 – Führungskräfte der Zukunft“ von „Advanced Manufacturing“ ausgezeichnet.