Bereits im Jahr 2004 kam die Roboterrobbe „Paro“ auf den Markt. Sie war ursprünglich als unterstützende Maßnahme in der tiergestürzten Therapie gedacht. Dies führte zu sehr unterschiedlichen Ansichten bei den Behandlern: Einige sahen in der Einführung eines Stofftieres, das mit taktiler Sensorik in der Lage ist, auf Berührung und Ansprache zu reagieren, ein deutliches Anzeichen für die Entmenschlichung in der Alten- und Krankenpflege durch den Einsatz von Technik; die weniger Kritischen beobachteten vielmehr die positiven Reaktionen bei den Betroffenen auf das Fellbündel mit Kulleraugen und lobten den Einzug der Robotik in die Pflege.
Digitalisierung ist überall
Tatsache ist auf alle Fälle, dass die Digitalisierung in im Jahr 2017 fast in allen Lebensbereichen angekommen und nicht mehr wegdenkbar ist. Heutzutage kommt digitale Technik in fast allen Lebensbereichen fast ausschließlich vor, die Maschinen, an denen bzw. mit denen wir arbeiten, sind mit mehr oder weniger „intelligenten“ digitalen Steuerungssystemen ausgestattet, so ist beispielsweise ein Auto ohne intelligente Technik nicht mehr vorstellbar, und natürlich macht diese Entwicklung auch vor dem Bereich der Pflege nicht halt.
Entmenschlichung und Überwachung: negatives Bild von Technik
In der Pflege lassen sich 4 Bereiche bestimmen, in denen Technik sinnvoll eingesetzt werden kann: zum einen als Hilfe der Mobilisation von Patienten z.B. durch Lifter, außerdem in der Pflegedokumentation und –planung, im Bereich der Gebäudetechnik sowie der Kommunikation z.B. durch moderne Rufanlagen, Förderung und emotionale Ansprache von Patienten. Im Bereich der Dokumentation und Planung gibt es vermehrt Bemühungen unterschiedliche medizinische, pflegerische und therapeutische Informationen und Dienste miteinander zu verknüpfen. Krankenhäuser, Pflegedienste und Krankenkassen arbeiten an gemeinsamen Datenbank- und Kommunikationssystemen, um einen besseren Überblick über Angebote, Bedarfe und Leistungen zu erhalten. Nicht zuletzt soll das Abrechnungssystem so transparenter und einfacher gestaltet werden – Stichwort ist hier das „Gesundheitssystem 2.0“. Insgesamt ist angestrebt, dass durch bessere Planung und Dokumentation Zeitressourcen für die Patientenversorgung schaffen und dadurch die Qualität der Pflege verbessert wird – allerdings birgt ein derartiges System auch die Gefahr die lückenlosen Überwachung , in der die exakten Vorgaben einzelner Tätigkeit so hoch ist, dass die zwischenmenschliche Nähe, wegen der sich viele überhaupt erst für einen pflegerischen Beruf entscheiden, auf der Strecke zu bleiben droht. Die düstere Vision einer völlig entmenschlichten, automatisierten Pflege und Versorgung, in der Roboter pflegebedürftige Menschen in einem vollkommen standardisierten System unter ständiger Überwachung versorgen, braut sich am Horizont zusammen.
Rahmenbedingungen: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel
Der Effizienzdruck ist aufgrund von mangelnden Zeitressourcen – nicht zuletzt wegen eines immer schlimmer werdenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen – für viele Pflegende bereits heute zu spüren. Viele wünschen sich mehr Zeit und Ruhe, um besser auf die jeweils individuelle Situation der pflegebedürftigen Menschen eingehen zu können. Die Lage im Bereich der Pflege wird sich in Zukunft eher noch verschärfen: Immer mehr Betagte mit dem hohen Risiko, dauerhaft oder zumindest zeitweise pflegebedürftig zu werden, wird einer immer kleinere Anzahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter, die auch noch gewilligt sind einen Pflegeberuf zu erlernen, gegenüberstehen. Und der Pflegeberuf ist psychisch und physisch belastend. Dies hat zur Folge, dass viele Pflegende gar nicht bis zum Rentenalter in ihrem erlernten Beruf tätig sein können. Die Einführung von neuen Technologien bedeutet für viele Arbeitnehmer in einer derartigen angespannten Situation zusätzliche Anstrengungen. Voraussetzung für einen sinnvollen und vor allem entlastenden Einsatz von neuen Technologien in der Pflege ist deshalb, dass alle neu eingeführten Technologien optimal auf deren Nutzer angepasst werden.
Digital kann besser sein
So lässt sich die „Schreckensvision“ der totalen Automatisierung in ein deutlich positiveres Bild setzen: Schon heute werden Anwendungen auf Tablets benutzt, um die kognitiven Fähigkeiten von Demenzkranken zu fördern und ihre Lebensqualität durch aktive Beschäftigungen zu verbessern. Ein Beispiel ist die App „PflegeTab“, die durch den GKV-Spitzenverband gefördert und gemeinsam von Wissenschaftlern des Instituts für medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften der TU Berlin, der Charité Universtitätsklinik Berlin und der DOMICIL Seniorenpflege entwickelt und erprobt wird und ein Aktivierungsangebot für Demenzkranke darstellt. Die motivierenden und spielerischen Elemente der Anwendung passen sich automatisch der Ressourcen und Bedürfnissen der Benutzer an. Das Programm speichert die jeweiligen Daten des aktuellen Zustands auf, die von Medizinern und Pflegenden ausgelesen und bewertet werden. Laut den Entwicklern enthält die App auch Elemente, die die Kommunikation der Pflegebedürftigen mit ihren An- und Zugehörigen und Pflegekräften verbessern können.
Länger im „intelligenten“ Zuhause
Im Bereich der ambulanten Pflege sind sogenannte „Smart-Home“-Technoliegen besonders interessant, also intelligente Systeme, die in den Wohnungen installtiert werden und das alltägliche Leben erleichtern. Experten schätzen, dass unter Einsatz solcher Technologien die Zeit des selbstständigen Wohnens in den eignen 4 Wänden deutliche verlängert werden kann. Die Hausnotrufsysteme sind ein erster Schritt in diese Richtung. Bereits erhältlich oder in der finalen Entwicklung sind aber auch Assistenzsysteme wie intelligente Medikamentenspender, intelligente Fußböden mit Sturzerkennung und andere Sensorsysteme, die Aktivitätsmuster erfassen und Unregelmäßigkeiten melden. Auch die sogenannte „TeleCare“, also die Betreuung aus der Ferne, nimmt an Bedeutung zu. Mit einfach zu bedienenden Videotelefoniesystemen und ähnlichem kann vor allem im ländlichen Raum man unnötige Anfahrt vermieden und trotzdem mit einem hohen Maß an persönlicher Ansprache und Kontakt gewährleistet werden.
Fazit
Damit der Einsatz von Technologien zu positiven Nebenwirkungen wie längere Gesunderhaltung der Mitarbeitenden im Pflegebereich, bessere Betreuung und Motivation von Erkrankten oder effizientere Vernetzung von An- und Zugehörigen, Pflegenden, Pflegebedürftigen, Medizinern und Krankenkassen führen kann ist Voraussetzung, dass die entsprechenden Anwendungen und Geräte von den Beteiligten gemeinsam entwickelt werden, um die unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse optimal abdecken zu können. Technik sollte weiterhin den Menschen und ihren Bedürfnissen dienen – und nicht umgekehrt.
Nadine Lexa, MAS ist ausgebildete Palliativ-Krankenschwester. Nach Abschluss eines Masters in Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Klagenfurt in Wien schrieb sie bislang 5 Fachbücher zu den Themen Pflege, Burnout & Palliative Care. Sie ist weiter Herausgeberin einer Buchreihe, Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen und Vortragsrednerin sowie zuständig für Public Relations des DBfK Nordost e.V. Nadine Lexa ist aktiv auf Twitter (www.twitter.com/lexanadine) und auf Facebook (www.facebook.com/nadinelexa.politikerin)